Bereit sein für Tiny LivingLesezeit ca. 6 Minuten

Bist du bereit für Tiny Living?

Vielleicht liest du gerade zum ersten Mal etwas über Tiny Houses, vielleicht bist du aber auch schon fest entschlossen, dir ein eigenes Häuschen auf Rädern zu bauen oder zu kaufen. Gründe für ein Tiny House gibt es viele. Doch der Weg zum Tiny House kann lang und (vor allem in Deutschland) voller rechtlicher Hürden sein. Und selbst wenn alle Anträge genehmigt sind und der TÜV sein Siegel vergeben hat, können all diese Anstrengungen mitunter doch nicht zum Ziel des ersehnten Glücks im Grünen führen, wenn du merkst, dass das Tiny Living nicht zu deiner Lebensart passt.

Tiny Living – auf kleinem Raum leben

Die erste Frage, die man sich bei Interesse an einem Tiny House eigentlich zuerst stellen sollte, ist nicht “Wo finde ich den perfekten Stellplatz?” oder “Kann ich mir ein Tiny House auch mit kleinem Budget leisten?”. Sie lautet vielmehr “Bin ich bereit für ein Leben im Tiny House?”. Zunächst mag diese Frage banal erscheinen, aber wenn man einmal darüber nachdenkt, ist es gar nicht so einfach ein Leben, das vorher auf vielleicht 80 oder gar 120 qm stattgefunden hat, plötzlich auf 18 qm zu packen.

Tiny Living – weniger besitzen

Ein Tiny House ist nicht nur ein Haus, es ist oftmals auch Ausdruck einer gewissen Lebenseinstellung bezüglich Materialismus. Viele Tiny House-Bewohner berichten wie befreiend es ist, auf kleinem Raum mit wenigen Dingen zu leben und wie sehr es ihre zwischenmenschlichen Beziehungen bereichert hat. Doch Tiny Living ist nicht für jedermann und bevor man den Tiny House-Hersteller seiner Wahl beauftragt oder selbst den Hammer in die Hand nimmt, sollte man sich über einige Dinge klar werden.

Kannst du dich von Dingen befreien?

Unser Leben in der modernen westlichen Welt ist geprägt von Konsum und der Identifizierung mit materiellen Gütern. Die Werbung suggeriert uns, dass wir uns glücklich kaufen können. So sammeln sich im Laufe der Zeit viele Dinge an, die die verschiedensten Emotionen in uns geweckt haben. Aber wahres Glück war sicherlich nur selten dabei. In einer normalen Wohnung macht man sich kaum bzw. selten Gedanken darüber. Aber ein Tiny House würde schnell aus allen Nähten platzen, wenn man ständig neue Dinge kaufen würde.

Spielt man mit dem Gedanken, in ein Tiny House zu ziehen, ist es also sinnvoll sich zuerst in der aktuellen Wohnung umzuschauen um sich einen Überblick über die Dinge des alltäglichen Gebrauchs zu verschaffen: Brauche ich wirklich 15 Kaffeetassen? Wann hatte ich eigentlich diesen roten Pullover das letzte Mal an? Schnell wird man feststellen, dass man eigentlich immer aus der einen Lieblingstasse trinkt und viele Stücke seit Monaten im Kleiderschrank ungetragen verstauben. Die entscheidende Frage ist nun, ob man sich von den unbenutzten Dingen trennen kann oder ob man für sich entscheidet, dass man ohne all diese Dinge nicht leben kann – auch wenn sie jahrein, jahraus tief in der hintersten Schublade (oder gar im Keller) liegen.

Einschränkung oder Bereicherung?

Sich von Dingen zu trennen ist wirklich nicht immer einfach, aber wenn man sich einmal überwunden hat, merkt man schnell, wie befreiend es ist, Sachen zu verschenken, zu verkaufen oder auch einfach wegzuwerfen. Im Hinblick auf das Leben im Tiny House geht es bei diesem Prozess nicht darum Platz für Neues zu schaffen, sondern es ist der erste Schritt in Richtung Tiny Living. Man besinnt sich auf das Grundsätzliche und behält nur, was man wirklich benutzt. Auf den ersten Blick mag das nach einer Beschränkung klingen, aber die Lösung von unnötigem Ballast kann eine große Bereicherung sein.

Führt man diese Überlegung weiter, erkennt man vielleicht, wie sehr man sich bisher durch materielle Güter eingeschränkt hat. Denn weniger Dinge in der Wohnung oder generell weniger Wohnraum bedeuten, weniger wertvolle Freizeit, die für Putzen, Waschen oder Staubwischen aufgewendet werden muss. Eine kleinere Wohnung mit weniger Nebenkosten kann es uns erlauben, weniger Zeit bei der Arbeit und mehr Zeit mit Dingen, die uns wichtig sind zu verbringen. Den eigenen Lebensstil zu verkleinern bringt uns also einen wertvollen Gewinn: mehr Zeit.

Mit Partner/in und Familie auf kleinstem Raum

Der Weg zum Tiny House und somit Tiny Living regt uns nicht nur an eine Bilanz zu ziehen, was unser Konsumverhalten und unsere weltlichen Güter angeht. Will man sich mit dem Partner oder gar der ganzen Familie zusammenziehen, sollte auch die Beziehung oder das Familienleben unter die Lupe genommen werden. Denn auch in der harmonischsten Beziehung möchte man vielleicht auch Zeit für sich alleine verbringen. In einer 3-Zimmer-Wohnung kein Problem: Tür zu und Ruhe. Aber was macht man im Tiny House?

Natürlich gibt es auch die Möglichkeit im Tiny House Rückzugsräume zu schaffen (separates Schlafzimmer oder zwei Lofts). Dennoch sollte man sich im Klaren darüber sein, dass all dies auf kleinstem Raum geschieht. Somit bekommt vielleicht nicht jeder immer den nötigen Abstand (vor allem an einem trüben Regentag). Wer damit auf Dauer nicht klarkommt, für den ist ein Tiny House vielleicht doch nicht die richtige Wahl.

Hast du das Zeug zum Tiny House-Bewohner?

BEREICH ENTFERNT, da er sich nicht wirklich auf das Thema Leben und Wohnen bezieht, also nicht auf Tiny Living, sondern eher auf den weg dort hin. Den idealen Tiny House-Bewohner gibt es natürlich genauso wenig wie die eierlegende Wollmilchsau. Es gibt allerdings ein paar Eigenschaften, die dir den Weg zum und das Leben im Tiny House um einiges leichter machen können.

Genügsamkeit und Durchhaltevermögen

Wie bereits beschreiben ist es von Vorteil mit weniger Dingen und weniger Platz zufrieden leben zu können. Wer also Genügsamkeit verbunden mit einem bewussten Konsumverhalten an den Tag legt, hat schon viel gewonnen. Außerdem solltest du bedenken, dass du mit deinem Wunsch, in einem Tiny House zu leben, etwas aus der Reihe tanzt. Dieser Lebensstil ist nicht für jedermann und so kann es passieren, dass man in seinem Umfeld auf Ablehnung oder Unverständnis stößt. Aber davon solltest du dich nicht entmutigen lassen. Eine gute Portion Durchhaltevermögen und Unbeirrbarkeit wird dir helfen, deinen Weg zielstrebig weiter zu verfolgen. Diese beiden Eigenschaften sind übrigens auch dann sehr hilfreich, wenn man sich durch den deutschen Bürokratie-Dschungel kämpft.

Bereit für unerwartete Planänderungen

Wer schon einmal etwas selbst gebaut hat oder auch nur eine lange Reise geplant hat, der weiß: Selten wird alles am Ende genauso, wie man es sich vorgestellt hat. Auch auf dem Weg zum Tiny House ist es hilfreich nicht so hohe Erwartungen zu haben und positiv gegenüber unerwarteten Planänderungen eingestellt zu sein. Oft wird das Endergebnis durch unverhoffte Änderungen sogar noch besser als man es sich erträumt hat. Also nicht enttäuscht sein, wenn etwas mal nicht so klappt, sondern die Dinge auf sich zukommen lassen und akzeptieren wie sie sind.

Offen und flexibel

Mit dieser Offenheit geht auch eine gewisse Flexibilität einher, die sich auf alle Bereiche des Tiny Houses anwenden lässt. Sei es auf die Gestaltung des Layouts, die Auswahl der Materialien oder die Stellplatzsuche. Das vermeintliche Traumlayout beschert dem Statiker vielleicht Albträume, die Wunschmaterialien sprengen das Budget und die Stellplatzsuche ist in der geliebten Heimatregion womöglich besonders schwierig. Bist du flexibel und offen für Alternativen, wird dich beim Tiny House-Bau nichts mehr so leicht aus der Fassung bringen.

Was bedeutet das alles für dich? Klein anfangen!

Vielleicht fühlst du dich jetzt abgeschreckt vom Tiny Living und fragst dich, wie du all diese “Hürden” meistern sollst oder ob es besser wäre deine Tiny House-Skizzen gleich in den Papierkorb zu werfen. Aber nicht so voreilig! Wie alles im Leben ist die Entwicklung zum Tiny House-Bewohner ein Prozess und geschieht nicht von heute auf morgen.

Du musst nicht von dir verlangen, zu einem sparsamen Abstinenzler zu werden. Du kannst dich von deiner Büchersammlung nicht trennen? Dann überlege dir, wie du sie in deinem Tiny House auf einem selbst gebauten Regal besonders zur Geltung bringen kannst. Jeder sollte für sich einen Mittelweg finden, mit dem er zufrieden ist und einfach im Hinterkopf behalten, dass der Weg zum Tiny House nicht nur mit Paragraphen und Verordnungen gepflastert ist.

Übrigens: Wenn du dich mit dem Thema Minimalismus näher befassen möchtest, empfehlen wir dir das Buch Minimalismus in der Praxis*.

Weiterlesen: Dies ist der letzte Artikel aus der Reihe Tiny Wissen. Schaue in der Artikelübersicht nach weiteren Themen. Du hast schon alles aus dieser Reihe gelesen? Dann empfehlen wir dir unser Tiny House Praxiswissen.

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